von Günter Ofner, Mai 2004
Es gibt viele Möglichkeiten die eigene Ahnensuche aufzubauen.
Hier die Methode, nach der ich vorgegangen bin:
1. MÜNDLICHE BEFRAGUNGEN
Zuerst sollten Sie alle in Ihrer Familie erhaltenen alten Unterlagen (Dokumente, Urkunden, Zeugnisse, Briefe, Ahnenpässe usw.) sammeln und sichten und alle lebenden Auskunftspersonen befragen. So erhält man meist über Großeltern und Urgroßeltern erste Angaben. Aber Achtung: Ahnenpässe wurden ja von 1933-45 auf obrigkeitlichen Druck hin erstellt und sind daher oft falsch oder fehlerhaft. Das war damals einfach ein Schutz vor dem Rassenwahn der Nazis.
Auch Familienüberlieferungen sollte man möglichst an Hand der Originaldokumente oder Kirchenbücher überprüfen, weil sich da oft Fehler eingeschlichen haben und ‚Legenden’ entstanden sind. Die häufigste Form dieser ‚Legenden’ lautet: „Unsere Familie war früher adelig“, bzw. „wir hatten ein Wappen“. Es gab zwar sehr viele Adelsfamilien und Wappen – und deshalb kommt dort eben fast jeder Name vor. Das heißt aber noch lange nicht, daß da alle Namensträger dazugehört haben.
So gab es beispielsweise mindestens 8 Adelsfamilien namens Ofner/Offner/Öffner und mindestens 9 Wappen dazu. Aber trotzdem hat das beispielsweise mit meiner Familie und mit 99% aller lebenden anderen Namensträger Ofner/Offner/Öffner nichts zu tun.
Also, Vorsicht bei übereilten Verwandtschaftszuordnungen!
Genealogie ist eine Wissenschaft und nur seriös recherchierte und belegte
Verbindungen haben Wert.
2. PFARRMATRIKEN
Zuerst sollte man sich Klarheit über die Religionszugehörigkeit der Vorfahren verschaffen (katholisch, evangelisch AB bzw. HB, jüdisch, altkatholisch, hussitisch usw.) Denn die staatlichen Standesaufzeichnungen reichen meistens nicht weit zurück (Österreich erst ab 1938, Tschechien und Slowakei ab 1939) und deshalb sind die Kirchenbücher von enormer Bedeutung.
Ich versuche als ersten Schritt über die Hochzeitsbücher möglichst weit
zurück zu kommen.
Denn bei den Hochzeitseintragungen erfährt man in der Regel
am meisten (Elternnamen, Herkunftsorte, Berufe usw.).
Wenn Sie von Ihrem
Spitzenahn die Elternnamen nicht wissen, dann schlagen Sie zuerst dessen Geburt
nach. Dort werden Sie die Elternnamen finden. Und dann suchen Sie die
Elternhochzeit, dann die beiden Hochzeiten der Großeltern usw.
Diese Methode
hat den Vorteil, daß man vorerst nur die Trauungsbücher braucht und relativ
schnell vorwärts kommt. So entsteht ein ‚Gerüst’ der Ahnen, das man dann mittels
Taufbüchern, Sterbebüchern, Grundbüchern usw. ergänzen kann.
Findet sich
eine Hochzeit nicht, und das kommt oft vor, dann wurde wohl auswärts geheiratet.
Dann die Geburtseintragung des Mannes suchen (den Geburtsnamen der Frau kennt
man ja in der Regel nicht) und über die Elternnamen weitermachen. So kann man
oft die väterliche Linie weiterverfolgen.
Hilft das alles nichts, dann lohnt es sich meist in den umliegenden Pfarren nachzusehen.
Finde sich weder die Hochzeit der Eltern, noch die Geburten der Brautleute,
dann suche ich
Taufen von Geschwistern. So kann man z.B. feststellen, seit
wann die Familie in der Pfarre ansässig war und manchmal steht bei der ersten
Taufe einer Familie dabei, woher die Eltern zugezogen sind. Und ich suche die
Sterbeeintragungen, weil man dort aus der Altersangabe (ACHTUNG: oft falsch)
zumindest auf das ungefähre Geburtsjahr schließen kann.
Ich schreibe Einträge auch immer komplett ab, d.h. auch die Namen und
Wohnorte der Trauzeugen, Taufpaten und Hebammen; alle Altersangaben; die
Todesursachen; die Hausnummern usw.
Denn bei der späteren Verarbeitung (z.B.
EDV) können plötzlich Details, die beim Finden völlig unwichtig erschienen sind,
große Bedeutung bekommen. So sind z.B. die, ab etwa 1770 in den habsburgischen
Ländern eingeführten, Hausnummern (ACHTUNG: in vielen Orten mehrfach geändert)
eine wichtige und oft die einzige Methode um bei häufig vorkommenden Namen die
richtige Familie zu identifizieren.
Meistens, so das erlaubt ist, fotografiere ich die Eintragungen auch. Oft
braucht man die Fotos dann später, z.B. zur Enträtselung von phantasievollen
oder hingeschmierten Eintragungen. Digitalisierte Fotos kann man auch ganz
leicht anderen Forschern zur Verfügung stellen oder zwecks Entschlüsselung
unlesbarer Worte durch’s Netz jagen.
Ich vermerke auch immer, wo ich diese Eintragung gefunden haben: Pfarre,
Buch, Seite und natürlich das Datum der Eintragung. Denn, so eine Datensammlung
auf Papier wächst schnell.
Und natürlich sollte man gleich zu Anfang nachsehen, ob die Bücher/Filme
Namensindizes
besitzen. Oft gibt es die auch als Extrahefte/Bücher. Denn dann
geht alles viel schneller. Wenn in den Büchern kein Index zu finden ist, dann
das Archivpersonal danach fragen. Achtung: Namens-Indices des 17. u. 18. Jht.
könnten nach Vornamen geordnet sein und oft sind sie auch unvollständig.
Überhaupt sollte man sich, bevor man zu suchen beginnt, den Aufbau jedes
Buches ansehen. In den habsburgischen Ländern gab es beispielsweise ab 1784 die
Vorschrift, Tauf-, Trauungs- und Sterbematriken in getrennten Büchern zu führen
und zusätzlich auch noch geordnet nach Ortschaften. Weiß man also die Ortschaft,
dann ist das ein großer Vorteil.
Die Schreibweise der Namen (Personen- und Orts-) variiert oft stark. Findet
man also einen Eintrag nicht, dann sollte man ähnliche Namen durchsehen, z.B.
Reichel, Reichelt, Reicheldt, Reichldt usw. Die beste Methode dafür ist es für
mich sich den Namen in der jeweiligen Mundart vorzustellen, dann überwindet man
auch große Schreibvarianten.
Ein Beispiel aus Niederösterreich: Glöckl,
Glöckel, Kleckl, Khleckhl usw – alles EIN Name!
Im Böhmerwald habe ich auch
Familiennamen deutsch - tschechisch übersetzt gefunden. Also einmal:
Schaufelmacher, Schaufler, dann wieder Lopartar.
Die Buchstaben B/P; C/G/K; D/T; F/V; I/J/Y; V/W wurden oft beliebig ausgewechselt.
Lassen Sie Ihrer Kreativität also freien Lauf. Ahnensuche ist immer auch eine
Art von Detektivarbeit und das macht, meiner Meinung nach, auch einen
wesentlichen Teil ihres Reizes aus.
Und am Abend schreibe ich mir meine Funde in Stammbaumform für den
nächsten Tag zusammen. Denn man kann bei mehrtägigen Forschungen leicht in der
Flut der Ahnendaten ‚ertrinken’ und dann vergessen Wesentliches
nachzuschlagen.
Überprüfen Sie das Gefundene auch auf Plausibilität. Ich
fand z.B. ein Geburtsdatum einer Ahnin, das bei der Auswertung ergab, daß sie
mit 54 Jahren Mutter geworden sein müßte. Das ist natürlich fast unmöglich. Des
Rätsels Lösung war dann, daß der Mann dieser Ahnin (mein Ahn) zweimal
verheiratet war und beide Frauen hießen Catharina. D.h. ich hatte die erste
Hochzeit gefunden, meine Ahnin war aber die zweite Frau. Also immer
aufpassen.
Mitteleuropäischen Pfarrmatriken, Grundbüchern usw. sind in
vielen verschiedenen Sprachen verfaßt worden: Deutsch, Latein, Tschechisch,
Italienisch, Französisch, Ungarisch, Slowakisch, Polnisch, Niederländisch usw.
Das ergibt beispielsweise bei Vornamen und Ortsnamen große Variantenbreiten. Trotzdem ist beispielsweise Franz, Franciscus, Frantischek, Francesco, Francois, Ferenc usw., immer derselbe Name und kann für dieselbe Person verwendet worden sein.
Aber selbst im Deutschen gibt es eine große Breite an Variationen. Denken Sie
an Georg = Jörg. Gregor/Gregorius ist dagegen ein eigenständiger Vorname.
Die verpflichtende Führung von Kirchenbüchern (= Matriken) wurde im katholischen Teil Europas durch das Konzil zu Trient (1545-1563) im Jahr 1563 beschlossen, die Führung von Sterberegistern erst 1614.
Trotzdem sind erhaltene Pfarrmatriken vor 1600 eher selten. Mancherorts wurde die Einführung lange verzögert. Aber auch Verluste durch Kriege, Brände, Naturkatastrophen und Schlamperei sind leider beträchtlich. Manchmal kann man sich dann durch bei den Diözesen geführte Duplikate (Einführungszeitpunkt sehr unterschiedlich) behelfen - so die schon existiert haben, selbst erhalten geblieben sind und auch eingesehen werden dürfen.
3. ANDERE ALTE UNTERLAGEN
Sind sowohl Matriken als auch Duplikate verloren oder unzugänglich, dann kann
man auf andere schriftlichen Aufzeichnungen ausweichen.
Die wichtigsten davon
sind die Grundbücher und Urbare. Nur muß man eben die richtigen finden, d.h. man
muß zuerst erkunden, zu welcher Herrschaft (vor ca. 1850) dieses Haus gehört
hat. Das hilft allerdings nur bei Bauern, Gärtlern, Häuslern, Bürgern und
Handwerkern, die eigenen Grund oder zumindest ein Haus hatten. Dienstboten und
fahrendes Volk findet man so nicht. Besonders wichtig sind die Gewährbücher
dazu. Dort steht nämlich genau vermerkt, wer, wann, von wem, um wieviel, was
gekauft hat.
Weiters gibt es Gerichtsunterlagen, Waisenbücher, Stadtbücher
(Ratsbücher), Bruderschaftsbücher, Urkunden, Akten aller Art, Testamente usw.
Garantie, daß man dort etwas findet gibt es natürlich
keine. Und es ist in der Regel sehr zeitaufwendig. Aber es ist der einzige Weg
um eben doch noch etwas herauszufinden.
Die beste Methode, die ich in diesem Fall
kenne ist, erst einmal eine Bestandsaufnahme zu machen, was an Schriftlichen
aus dieser Zeit überhaupt überlebt hat. Und dann nur gezielt und geplant suchen.
Denn trotz aller Widerwärtigkeiten sind die Archive Mitteleuropas gestopft voll
mit Materialen. Alleine im ehemals Schwarzenbergschen Schloß in Böhmisch Krummau
soll es drei Kilometer Laufmeter an herrschaftlichen Unterlagen über die
ehemaligen Schwarzenbergschen Besitzungen in Südböhmen geben. Da könnte man ohne
Plan also lebenslang suchen ohne das Gewünschte zu finden.
Für Tschechien,
die Slowakei, Ungarn und Slowenien gilt, daß heute alle grundherrschaftlichen
Unterlagen in öffentlichen Archiven liegen. In Österreich, Deutschland, Italien,
der Schweiz usw. sind die alten Herrschaftsunterlagen oft noch in
Privatbesitz.
In manchen Ländern und zu
unterschiedlichen Zeiten gibt es erhaltene komplette Landesbeschreibungen. Für
Böhmen sind das das Untertanenverzeichnis (die sog. Seelenliste =
Religionszählung) von 1651 wo alle erwachsenen Ansässigen und die älteren Kinder
mit Altersangabe und Verwandtschaftsverhältnis aufgelistet sind, sowie die Berni
Rula (Steuerrolle; angeführt sind alle Steuerpflichtigen samt Angehörigen) von
1654. Für Mähren gibt es die Landesbeschreibung (Lanské rejstriky) aus der Zeit
um 1675.
Das sind ungeheuer wichtige zusätzliche Quellen, die einen (beinahe)
kompletten Gesamtüberblick über ganze Länder ermöglichen. So können vernichtete
Pfarrmatriken ‚umgangen’ werden. Ich wollte es gäbe soetwas auch für
Österreich!
Für das 18. Jht. gibt es für die habsburgischen Gebiete den sog.
Theresianischen Kataster von 1711 - 1757 und den sog. Josephinische Kataster von
1787, benannt nach den großen Herrscherpersönlichkeiten Königin Maria Theresia
und Kaiser Josef II.
4. ARCHIVE
Praktisch alle alten Pfarrbücher, Grundbücher usw. liegen heute in Archiven.
Das können staatliche Archive sein, kirchliche oder private. Oft ist das selbst
in der selben Region sehr unterschiedlich. Das Diözesanarchiv St. Pölten in
Niederösterreich ist beispielsweise bestrebt die alten Pfarrbücher aller Pfarren
bei sich zu sammeln. Und tatsächlich sind schon die Hälfte aller Pfarrarchive
dieser Diözese heute in St. Pölten verwahrt und einsehbar. Im Gebiet der
benachbarten Erzdiözese Wien, liegen dagegen alle Pfarrarchive noch in den
jeweiligen Pfarrämtern oder den Archiven der Mutter-Klöster/Stifte. D.h. man
sollte sich immer zuerst telefonisch, elektronisch oder schriftlich informieren,
was von den Forschungsmaterialien wo liegt, bevor man auf Entdeckungsreisen
geht. Und natürlich muß man sich in (fast) allen Archiven (staatlich, kirchlich,
privat) vorher anmelden, bzw. Termine vereinbaren.
Bei Forschungen in Archiven ist, bedingt durch weite Anreisewege, begrenzte
Öffnungszeiten, und den knappen Urlaub, Zeit immer knapp. Aber es gibt
Hilfsmittel, die viel Zeit sparen helfen. So z.B. die Matrikenverzeichnisse der
Sudetenländer (Böhmen, Mähren, Österr. Schlesien) von Herrn Ing. Felix Gundacker
http://www.ihff.at/. Auch seine
Ortslexika sowie gute genealogische Wörterbücher wie das von Herrn Reinhard
Riepl Wörterbuch zur Familien- und Heimatforschung in Bayern und Österreich
und das von Herrn Josef A. Huber, Stadtberger Str. 13 b,
D-86157 Augsburg, helfen Zeit zu sparen und tote Punkte zu überwinden.
5. ALTE SCHRIFTEN
Keine Angst vor alten Schriften. Entgegen der weitverbreiteten Meinung ist die alte deutsche Schreibschrift (Kurrent, Sütterlin) der lateinischen recht ähnlich und recht leicht erlernbar. Und je öfter man sie liest, desto schneller geht es. Ich selbst habe sie altersbedingt nicht mehr in der Schule gelernt, kann sie aber heute ziemlich flüssig lesen. Das wirkliche Problem ist nicht die Kurrentschrift, sondern die Schmierage in manchen Büchern.
6. ARCHIVIERUNG
Daten haben nur Sinn, wenn man sie leicht wiederfindet.
Genealogische Abschriften und Dokumente können schnell zu einem unübersichtlichen Berg anwachsen. Deshalb sollte man sich beizeiten Gedanken über die geeignete Form der Archivierung machen. Ob das per EDV-Genealogieprogramm oder als Papierarchiv (oder in beiden Formen) geschieht ist nicht so wichtig.
Ein wohlorganisiertes Archiv hilft letztlich auch viel Zeit zu ersparen.
7. ZUSAMMENARBEIT
Wie immer im Leben kommt man gemeinsam schneller weiter. Es gibt inzwischen
zehntausende Bücher, Broschüren, Vereinigungen und Datenbanken zum Thema
Genealogie, die viel Arbeit und Zeit sparen helfen können. Deshalb halte ich es
für sinnvoll, an genealogischen Vereinigungen (Maillisten, Vereine, Archive,
Datenbanken usw.) teilzunehmen und vor allem auch mit eigenen Daten und
Erfahrungen nicht zu geizen. Natürlich sollten Daten von lebenden Personen tabu
sein und (in den einzelnen Staaten unterschiedlich) die der Zeit der
Archivsperre (ca. 80 – 100 Jahre). Aber alles andere sollte man auf Anfrage oder
per Datenbank auch anderen zur Verfügung stellen. Man hilft dadurch nicht nur
anderen – und letztlich sich selbst, man lernt auf diesem Weg auch oft sehr
nette Menschen, manchmal sogar entfernte Verwandte kennen.
Diese kleine Zusammenstellung erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch
auf Fehlerlosigkeit. Wer zu ihrer Verbesserung und Ergänzung beitragen will, ist
dazu herzlich eingeladen.
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